31.10.23

Das Wasserstoffauto – endgültig im Ruhestand

Fast schon regelmäßig tauchen im Internet Umfragen über die Zukunft unseres Automobilantriebs auf. Werden wir in Zukunft alle mit Batterien fahren? Oder vielleicht doch mit Wasserstoff? Erstaunlicherweise tendieren nicht wenige Umfragen in Richtung Wasserstoffauto (FCEV), am batteriebetriebenen Elektroauto haben viele erhebliche Zweifel. In der Automobilindustrie hingegen wurde in diesen Tagen nochmal deutlicher: Die Zukunft soll dem „BEV“ – dem Elektroauto mit Batterie gehören. Was rechtfertigt diese Diskrepanz? Ist das Wasserstoffauto wirklich das Auto der Zukunft, das wir wollen? Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Chemiker und Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm, benennt in einem Interview mit YouTuber Jens Zippel vom Kanal Move Electric die wichtigsten Fakten. 

BEV vs. FCEV

„BEV“ ist die Abkürzung für „Battery Electric Vehicle“ und beschreibt ein reinelektrisches Fahrzeug mit Batterie. „FCEV“ liest sich ausgeschrieben „Fuel Cell Electric Vehicle“ und beschreibt ein Wasserstoffauto mit Brennstoffzelle. Diese beiden Abkürzungen verdeutlichen bereits: Sowohl BEVs als auch FCEVs sind Elektroautos - sie werden mittels Elektromotor mit Strom angetrieben. Der Unterschied besteht in der fahrzeuginternen Energiespeicherung. Bei einem BEV wird die gesamte zum Fahren benötigte Energie in einem großen Akku gespeichert, der sich meist im Unterboden des Fahrzeugs befindet. Das FCEV transportiert seine Energie in Form von gasförmigem, hochkomprimiertem Wasserstoff in großen Drucktanks. Eine Brennstoffzelle, englisch Fuel Cell, wandelt diesen Wasserstoff in elektrische Energie um, die schließlich zum Fahren verwendet wird. Zur Pufferspeicherung der Energie besitzt auch das Wasserstoffauto einen Akku. 

Erheblicher Effizienzunterschied 

Das reine Elektroauto mit Batterie gilt als das effizienteste Fahrzeug auf unseren Straßen. Mit einem Wirkungsgrad von etwa 70 % liegt es weit vor einem Diesel oder einem Benziner, der bei einem Wirkungsgrad von ca. 20 % wesentlich mehr Energie zum Fahren benötigt. Doch wie steht es bei der Effizienz um das Wasserstoffauto? Ein Blick auf die prall gefüllte Herstellungskette von Wasserstoff lässt nichts Gutes vermuten. Wasserstoff wächst leider nicht auf Bäumen und muss unter Bereitstellung von elektrischer Energie aufwändig produziert werden. Dafür wird zunächst durch eine Elektrolyse Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Dieser Prozess ist sehr ineffizient und kostet bereist 40 % der in Form von Strom hineingesteckten Energie. Anschließend wird der Wasserstoff aufbereitet und für den Transport auf etwa 250 Bar komprimiert, was etwa 12 % Verluste ausmacht. An der Wasserstofftankstelle angekommen muss der Wasserstoff nun noch stärker komprimiert werden, damit er in die 700 Bar Tanks eines FCEVs gepresst werden kann. Es erfolgt eine Komprimierung auf 1.000 Bar sowie eine Abkühlung auf -40 Grad Celsius, die erneut 30 % Energie kostet. Schließlich ist der Wasserstoff im Auto angekommen und wird in einer Brennstoffzelle unter Zunahme von Luftsauerstoff in elektrische Energie umgewandelt. Wiederum kein günstiger Prozess: Noch einmal die Hälfte der übrigen Energie geht hier verloren. 

Bei Betrachtung der gesamten Herstellungskette bis hin zum Betrieb im Fahrzeug gehen etwa 82 bis 85 % Energie verloren, - anders ausgedrückt hat ein Wasserstoffauto einen Wirkungsgrad von nur 15 bis 18 %. Wasserstoffmobilität mit sogenanntem „grünen Wasserstoff“ aus erneuerbaren Energien würde also deutlich mehr Strom als Mobilität mit batterieelektrischen Fahrzeugen benötigen. 

Wie stehen Automobilhersteller zu Wasserstoffautos? 

Die Bemühungen ein alltagstaugliches Wasserstoffauto auf die Straße zu bringen, sind nicht neu. Schon in den 70er Jahren startete BMW Pilotprojekte mit Wasserstofffahrzeugen, die es jedoch nicht in Serie schafften. Auch Mercedes hat sich in der Vergangenheit oft an Wasserstoff probiert und einzelne Fahrzeuge in Serie gebracht: 2003 wurde eine A-Klasse mit Brennstoffzelle ausgestattet, 2007 folgte die B-Klasse „F-Cell“ und 2018 schließlich ein GLC mit Wasserstoffantrieb. Kurz darauf im Jahr 2019 stieg Mercedes nach 30 Jahren Entwicklung im PKW-Bereich aus dem Wasserstoffgeschäft aus. 

Toyota und Hyundai sind momentan die letzten verbleibenden Hersteller, die ein Wasserstofffahrzeug im Programm haben. Toyota bietet den Mirai bereits in einer zweiten Generation an und Hyundai hat mit dem Nexo ein SUV mit Brennstoffzelle im Programm. Die Verkaufszahlen sind jedoch eher bescheiden. Weltweit betrachtet steigen die Verkaufszahlen batterieelektrischer Autos seit Jahren exponentiell an, die Verkäufe von FCEVs sind dem gegenüber verschwindend gering. In China beispielsweise lagen die Zulassungszahlen batterieelektrischer Fahrzeuge im ersten Quartal 2021 bei 273.000, die Zahl der Wasserstofffahrzeuge lag bei lediglich 37. 
Auch bei den noch verbleibenden Herstellern Toyota und Hyundai verliert sich der Fokus auf den Wasserstoffantrieb. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Technik ist laut Prof. Fichtner um den Faktor drei zu teuer. So kostet ein Hyundai Nexo den Käufer knapp 80.000 €, während er Hyundai selbst 110.000 € kostet. Ein Missverhältnis, das auch durch Förderung nicht ausgleichbar ist. Hinzu kommt, dass sich der Wasserstoffantrieb laut Prof. Fichtner inzwischen nahe der physikalischen Grenzen bewegt und somit keine immensen Fortschritte mehr zu erwarten sind. In der Tat dauert die Forschung an dieser vermeintlichen Antriebsart der Zukunft nun auch schon viele Jahrzehnte an. So zeichnet sich auch bei Toyota inzwischen ein anderes Zukunftsbild ab: Im letzten Jahr wurden gleich 15 neue Elektroautos angekündigt, keins davon mit Wasserstoffantrieb. Aktuellen Berichten zufolge verlagert Toyota den Fokus bei Wasserstoffantrieben auf Nutzfahrzeuge und gesteht ein, dass das bekannteste PKW-Modell „Mirai“ ein Misserfolg war.

Nur bedingte Alltagstauglichkeit 

Ein Grund, weshalb viele ein Wasserstoffauto gegenüber einem batterieelektrischen Fahrzeug vorziehen würden, ist vermutlich seine schnelle Tankzeit. Der Tankvorgang eines Wasserstoffautos ist dem eines konventionellen Verbrenners sehr ähnlich: Man fährt zur Tankstelle, steckt den Stutzen ans Auto und los geht’s. Nach gerade einmal fünf Minuten ist der Tank mit Wasserstoff für immerhin 500 Kilometer gefüllt. So zumindest in der Theorie. In der Praxis hat sich vielfach gezeigt, dass durchaus einiges schieflaufen kann. So ist zum Beispiel der sehr hohe Druck nicht einfach handzuhaben. Beim Betanken mehrerer Fahrzeuge hintereinander lässt dieser tankstellenseitig schnell nach und muss vor einem erneuten Tankvorgang zunächst aufgebaut werden – das dauert. Der Zeitvorteil gegenüber einem Elektroauto, das inzwischen in unter zwanzig Minuten 300 Kilometer Reichweite nachladen kann, schmilzt schneller, als das Eis am eingefrorenen Wasserstoff-Tankstutzen, der mit -40 Grad kaltem Wasserstoff durchströmt wird. 

An dieser Stelle haben einige BEV-Fahrer nun vielleicht Fragezeichen auf der Stirn. „Tankstelle? Was ist das denn?“ Tatsächlich haben viele Elektroautofahrer ihre eigene Tankstelle inzwischen zuhause. Mit einer 11 kW Wallbox oder sogar über eine handelsübliche Schuko-Steckdose lässt sich ein Elektroauto prima betanken. Ohne Druckprobleme, ohne Logistikaufwand, ohne gigantische infrastrukturelle Aufwendungen. Und damit nicht genug: Betreiber von Photovoltaikanlagen haben die Möglichkeit produzierten Solarstrom direkt ins Auto zu laden und maximal umweltfreundlich mit der Sonne zu fahren. Mittelfristig wird auch bidirektionales Laden eine große Rolle spielen: Der dicke Stromspeicher an Bord des Elektroautos kann in Dunkelflauten ins Netz einspeisen und unsere Energieversorgung stabilisieren. 

Ein weiterer oft übersehener Nachteil besteht in dem Platzangebot eines Wasserstofffahrzeugs. Mehrere sperrige Kohlefasertanks lassen das Kofferraumvolumen des Toyota Mirai, einem fast fünf Meter langen Schiff, auf unter Golf-Größe schrumpfen. Die Komponenten eines BEVs lassen sich deutlich besser verpacken, platztechnisch ideal ist beispielsweise ein Akkupaket im Unterboden. So kommt ein größenmäßig vergleichbares Auto wie das Tesla Model S auf mehr als das doppelte Kofferraumvolumen eines Mirai. 

Letztlich am entscheidendsten für die Alltagstauglichkeit sind die Kosten. Die Herstellungskosten eines FCEVs sind einfach zu hoch, um es zu attraktiven Preisen anbieten zu können. Des Weiteren sind die laufenden Kosten auch nicht gerade günstig: Der Kilo Wasserstoff reicht für 100 Kilometer Fahrt, Kostenpunkt aktuell 12,85 €. Hinzu kommen kurze Wartungsintervalle der sensiblen Brennstoffzellentechnik – bei Hyundai für den Nexo sage und schreibe alle zehntausend Kilometer. 

Der ewige Traum ist geplatzt 

Ist also das Wasserstoffauto wirklich das Auto der Zukunft, das wir wollen? Nachdem mit Toyota diese Woche einer der letzten „Big Player“ Wasserstoff im PKW-Bereich den Rücken gekehrt hat, sollte klar sein, dass das Wasserstoffauto kein Auto der Zukunft sein wird - ob wir wollen oder nicht. Eine Vielzahl an praktischen und finanziellen Nachteilen lassen dem FCEV gegenüber dem BEV in einer ernsthaften Abwägung keine Chance. Als vor fünfzig Jahren erste Träume von praxistauglichen Wasserstoffautos den Glauben an emissionsfreie Mobilität befeuerten, war an batteriebetriebene Fahrzeuge noch gar nicht zu denken. Doch mit gigantischen Fortschritten in der Batterietechnik konnte das Wasserstoffauto einfach nicht mithalten. Nun ist der Traum geplatzt – stattdessen haben wir mit dem batteriebetriebenen Elektroauto eine bessere Alternative für nachhaltige Mobilität gefunden.

Bilder: © H2 MOBILITY / Toyota